27/11/2025 0 Kommentare
Elisabeth- und Markuskirche zeigen, was "Stille Kirche" heißt - Projekt zum Tag der Menschen mit Behinderungen
Elisabeth- und Markuskirche zeigen, was "Stille Kirche" heißt - Projekt zum Tag der Menschen mit Behinderungen
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Elisabeth- und Markuskirche zeigen, was "Stille Kirche" heißt - Projekt zum Tag der Menschen mit Behinderungen
Auch wenn eines der bekanntesten Weihnachtslieder „Stille Nacht“ heißt – der Advent ist inzwischen meist von Hektik und Lärm geprägt. Ganz bewusst in der dieser Zeit und zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember hat Vikarin Lisa Brekerbohm von der Markusgemeinde Marburg das Projekt „Stille Kirche“ konzipiert. In der Elisabeth- und der Markuskirche wird es die Möglichkeit geben, sich zu informieren, was Kirche mit Stille zu tun hat und diese auch ganz konkret zu erleben.
Die laute Musik vom Kinderkarussell, Weihnachtsbeleuchtung, Stimmengewirr – wer zum Beispiel einen Weihnachtsmarkt besucht, nimmt das im besten Fall als Teil der Atmosphäre positiv wahr. Für immer mehr Menschen stellen Lautstärke und andere Reize aber ein echtes Problem dar. Psychische Erkrankungen, neurologische Störungen oder Krankheitsbilder wie ADHS bringen eine erhöhte Sensibilität in der Wahrnehmung mit sich. Für die Betroffenen bedeutet ein hoher Geräuschpegel, bedeuten Lärm und Licht puren Stress.
In vielen Städten bieten Supermärkte und Einkaufszenten schon so genannte „Stille Stunden“ an: Zeiträume, in denen keine Musik und keine Durchsagen aus den Lautsprechern kommen, in denen das Piepen der Kassen abgeschaltet wird. Aber was ist eigentlich mit den Kirchen? „Die Kirche ist Teil der Gesellschaft und wir haben einen wichtigen Auftrag“, findet Lisa Brekerbohm, die ihr Vikariat in der Marburger Markusgemeinde absolviert. „Auch wir haben eine Verantwortung, Barrieren abzubauen.“
Dass es an diesem Tag eine große Demonstration geben wird, die gewissermaßen mit Lautstärke auf das Thema aufmerksam machen wird, findet sie einen wichtigen Kontrapunkt. „Beides spricht Menschen an und bei uns geht es darum, Momente der Ruhe zu schaffen.“ Dass die „Stille Kirche“ auf zwei Kirchen aufgeteilt ist, hat ebenfalls den Hintergrund, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen: In der Elisabethkirche – mit dem Weihnachtsmarkt um das Gebäude herum und viel Publikumsverkehr – ist alles auf Information ausgerichtet: Was Stille mit Kirche und Gesellschaft zu tun hat, ebenso wie mit der Bibel und wie man in die Stille kommen kann, ist dort Thema an verschiedenen Stationen.
Dabei hat Lisa Brekerbohm an alles gedacht: Die schriftlichen Informationen sind auch in leichter Sprache, in Blindenschrift und als Audiodateien vorhanden, die Tische haben Rollstuhlhöhe und es gibt ein extra ausgelegtes taktiles Leitsystem für Sehbehinderte. Und natürlich wird es keine Musik geben, das Licht ist gedimmt und die Glocken schweigen. Die Aktion findet von 10 bis 12 Uhr statt und endet mit dem Mittagsgebet, das das Thema aufgreift – ebenfalls reizarm und in leichter Sprache. Unterstützung vor Ort bekommt die Vikarin von Hephata.
Am zweiten Ort des Geschehens, in der Markuskirche, wird die „Stille Kirche“ dann von 12 bis 18 Uhr an verschiedenen Stationen eines Glaubenswegs erfahrbar. Gestaltet wurden die von Bewohnerinnen und Bewohnern des Glaubenshofs Cyriaxweimar. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen und Schwierigkeiten im Alltag unterstützt und als Träger der Eingliederungshilfe bietet die Einrichtung betreutes Wohnen an. Für die Vorbereitung der „Stillen Kirche“ wurde der Andachts- und Gemeinschaftsraum des Hofs zu einem „Raum des Ankommens, des Friedens und des Berührtwerdens“ umgestaltet, erklärt Heike Hübner, die das Gruppenangebot „Lebensorientierung“ auf dem Hof leitet.
Hierfür hat sie im Rahmen ihrer Weiterbildung zur Traumapädagogin ein Projekt zum Thema "Mein Raum der Stille" entwickelt. Nach gemeinsamen Gruppenstunden mit Austausch und Reflektion, mit Anleitung und praktischer Ermutigung zum Stillwerden im Alltag durften die Gäste des Glaubenshofs kreativ werden. Entstanden sind dabei auch „Geschenke zur Stille“, mit denen nun die „Stille Kirche“ bereichert wird: Bilder, Gebete, Kompositionen. „Ich freue mich von Herzen über die kostbaren individuellen Interpretationen und an der wunderbaren Kreativität des Schöpfers in seinen Geschöpfen“, sagt Heike Hübner. Damit sieht sie die Besucherinnen und Besucher der Markuskirche „in die Stille hinein umarmt“.
Und natürlich gibt es in der Markuskirche auch die Möglichkeit, seine eigenen Gedanken in der Stille zu formulieren und vor Gott zu bringen. Decken und Getränke sind vorhanden und die Umgebung wird möglichst reizarm sein. Damit hat die Gemeinde schon Erfahrungen gesammelt: Pfarrerin Annika Wölfel bietet zusammen mit einem Team von UND Marburg das Konzept eines „Gottesdienst in sanften Tönen“ an. Die Markus- ist ebenso wie die Elisabethkirche barrierefrei zu erreichen und Lisa Brekerbohm würde sich freuen, wenn viele Menschen von dem Angebot Gebrauch machen, einen Moment der Stille für sich zu finden. Auch wenn sie nicht krank oder eingeschränkt sind.
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